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Heidschnuckenweg II

Erneut großartige Heidelandschaften erblickten unsere Augen und wir hatten das Glück, einer Heidschnuckenherde samt Hirte und Hütehunden zu begegnen. Idylle pur. Wir stellen jedes Mal fest, dass man Job und Stress beim Wandern sehr schnell loslässt. Die Eindrücke sind so unmittelbar und intensiv, schneller geht Erholung kaum.

 

In Bispingen hatten wir in dörflicher Umgebung eine einfache, aber heimelige Unterkunft im Dachgeschoss im Hotel  Amselhof. Rainer hatte Hunger, das Hotelrestaurant geschlossen und ich vor allem das erste Mal platte Füße. Ich ging keinen Meter mehr, auch wenn ich Hunger hatte, und Paula schloss sich meiner Meinung an. Rainer, ging schließlich heldenhaft im Ort noch etwas Essbares einkaufen und wir machten in unserem Zimmer ein kleines Picknick bevor wir wieder in tiefen Schlaf sanken.

 

Am nächsten Morgen ging es weiter -  auf nach Soltau.

Das Wetter trocken, etwas kühler. Wir gingen nun überwiegend durch Waldgebiete und über Feldwege. hei-10.jpg Auch schön, aber nach der spektakulären Heideweite hätten wir gern noch etwas mehr davon gehabt. Paula freilaufend und zufrieden und wir kämpften mit sandigem und sehr nachgebendem Boden –  anstrengend für Füße und Fußgelenke; Umknickgefahr, besonders für Rainer, der diesbezüglich leider anfällig ist.

 

Von weitem hörte man nun mehr und mehr das Gekreische der Leute, die im Vergnügungspark Achterbahn fuhren. Das drückte unsere Stimmung ein wenig, weil wir irgendwie im Vorwege nicht bemerkt hatten, dass unsere Route direkt den Heidepark umrundete, und wir doch eigentlich dem Menschentrouble ein wenig entrinnen wollten.

 

Schließlich endete unser Waldweg direkt am Eingang des Heideparks  und es lagen bereits gut 20 km hinter uns. Es war eine der längsten Etappen und unsere Füße und Pfoten machten nun für heute schlapp. Unsere Unterkunft lag jedoch noch 7 km weiter, direkt im Zentrum Soltau. Das war nicht mehr zu schaffen und quälen wollten wir uns auch nicht. Also nahmen wir hier ein Taxi und fuhren direkt nach Soltau zum Hotel Heideparadies.

 

Paradisisch blieb hier jedoch leider nur der Name. Sauber und recht komfortabel war es schon, aber direkt an der Hauptstraße gelegen, die mit schweren LKWs befahren wurde.

Am Abend bemühten wir uns bei einer kurzen Gassirunde, noch irgendwo hier etwas Schönes zu finden. Eine hübsche Straße mit netten Häusern oder ein wenig Grün, aber hier war einfach nix zu entdecken.

 

Zum Abendbrot dann ein paar Nudeln beim Italiener und ab ins Bett. Nun muss man wissen, es war Sommer und Rainer schläft gern bei offenem Fenster. Gegen 4 Uhr bat ich ihn schließlich aufgrund des sich steigernden Verkehrslärms, das Fenster wieder zu schließen. Rainer -der am Fenster schlief-  tat dies sogleich und wir atmeten dank der merklich einkehrenden Ruhe kurz auf. Wenige Minuten später sah ich verwundert meinen Mann an. Er mich auch, denn unser Bett vibrierte nun derartig, so dass wir bei jedem vorbei rasenden LKW ein wenig im Bett hüpften. Wir mussten laut lachen, Gott sei dank ging es ja nun am Morgen gleich weiter. Paula schnarchte übrigens wie jede Nacht unbehelligt vor sich hin und ließ sich durch nichts stören.

 

Kurz gefrühstückt und schon ging es weiter Richtung Hermannsburg. Auf dieser Strecke wurde uns landschaftlich alles geboten; kurze Waldstücke, kleine Heideflächen und wunderschöne Feldwege, die von endlosen Sonnenblumenbeeten gesäumt waren, die in voller Blüte standen. Kurz vor dem Ortseingang von Müden bogen wir links ab, entlang eines Stoppelfeldes einem kleinen Waldstück entgegen, hinter dem sich wieder weite Heideflächen schlängelten, die zum Hermann Löns Denkmal führen sollten. Paula ging an meiner Seite fröhlich an der Leine und ich schaute über das weite Stoppelfeld und traute meinen Augen kaum. „Rainer, ein Wolf“ raunte ich Rainer zu, möglichst ruhig bleibend. Rainer blieb stehen und sah auf. hei-19.jpg

Das ca. 150 m von uns entfernt auf dem Feld trottende Tier ebenso und spitzte deutlich die Ohren. Ich denke, aufgrund der großen Ohren erwiderte Rainer recht spontan „Quatsch, das ist kein Wolf, das ist ein Esel“. Im Nachgang mussten wir natürlich über diese Wahrnehmung sehr lachen; im selbigen Moment konnte ich jedoch nur sagen, dass er sich einfach irrt und eindeutig erkennbar ein Wolf uns ebenso gebannt anstarrte wie wir ihn. Rainer zückte die Kamera, um ihn besser erkennen zu können und dann folgte ein „Oh“ und noch ein „Oh“ und „tatsächlich… ein Wolf“. So entstanden gleich mehrere Fotos, weil der Wolf uns nach wie vor sehr interessiert ohne weitere Bewegung anstarrte. Der Wind wehte von uns in seine Richtung. Paula stand an meiner Seite, schaute jedoch nicht einmal in Richtung Ihres Vorfahrens, sondern blieb eigentlich erstaunlich aber wohl mangels Witterung entspannt.

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Diese vielleicht 2 Minuten, die wir uns also anstarrten erschienen sehr lang. Ich dachte schon darüber nach, was wir tun würden, wenn der Wolf sich entscheiden sollte, uns näher kennenlernen zu wollen, da meinte Rainer auch schon, dass er sein Messer griffbereit zur Verteidigung parat hätte. So faszinierend dieses wilde Tier und beeindruckend die Begegnung auch war, es kam so langsam leichtes Unbehagen bei uns auf, und ich suchte mir zusätzlich einen umliegenden Ast zur etwaigen Verteidigung aus. Doch der Wolf war scheinbar ebenso fasziniert von uns und plötzlich machte er einen kleinen Ruck (wenn ich es nicht besser wüsste, sah es aus wie ein Schulterzucken), drehte uns  seinen Allerwertesten zu und trottete irgendwie leichtfüßig, mit elastischem, gut gelaunt erscheinendem Gang von Dannen.

 

Puuuuh. „Hast, du … hast du ihn fotografiert?“ Wir waren sehr aufgeregt und bestaunten die Bilder und kurze Filmsequenzen auf Rainers Kamera. Wir gingen weiter bis zum Waldstück und einer dort auf uns scheinbar wartenden Bank, auf der wir erst einmal das Erlebte verdauten. Allerdings lies mich jetzt jegliches Geraschel von einem Vogel oder Eichhörnchen hinter uns sofort erstarren. Eine Zeit lang behielt ich sicherheitshalber einen Ast noch weiter bei mir.

 

In der Nähe des Hermann Löns Denkmals, begegneten wir nun einer Wandergruppe samt Reiseleiter. Da wir dachten, dass dieser sicher hier ortskundig sei, erzählten wir ihm gleich von unserer Begegnung und er sagte, er wisse schon, dass es hier bereits Wölfe gäbe, er selbst aber noch keine gesehen hätte. Er riet uns, unbedingt dem Wolfsmonitoring Niedersachsen unser Erlebnis mitzuteilen und bestaunte unsere Fotos. Ferner warnte er uns, Paula von der Leine zu lassen bzw. sollten wir sie in unserer direkten Nähe halten, da er sich sicher sei, dass der Wolf weniger uns sondern vor allem sie interessant fand. Menschen werden von Wölfen gemieden, aber Hunde sehen sie oft als Konkurrenz an und dann hätte es eine Paula schnell mal gegeben. Gut, meinte Rainer, der Wolf hätte es in dem Fall erst einmal mit ihm aufnehmen müssen, aber das war ja alles -Gott sei Dank- überhaupt nicht von Nöten. Ich muss hierbei sagen, dass ich mich in der Situation selbst zunächst nicht ängstlich gefühlt habe. Erst wenn man anfängt über „Wenn und Hätte“ nachzudenken, kommt die Angst hinzu. Es ist doch vielmehr so: der Wolf ist zurück in seiner Heimat, die wir bewohnen und ihm seinerzeit genommen haben. Sicherlich ist dies insbesondere für Schäfer nicht einfach, aber anstatt den Wolf wieder zu vertreiben, sind wir zum Teilen des Lebensraums und Umdenken im Umgang aufgefordert und müssen Lösungen finden, die allen Seiten gerecht werden; vielleicht ähnlich wie die Dörfer und Städte es in Kanada mit den Bären größtenteils sehr erfolgreich handhaben. Das Wolfsmonitoring war übrigens dankbar für den Bericht und konnte anhand der Bilder und Videos sehr gut den Wolf bestimmen und seine Herkunft ableiten. Es war wohl noch ein junger Wolf, der noch ohne Rudel ein eigenes Revier suchte.

 

 


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